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WOLLTE CHAMBERLAIN ADOLF HITLER DEN NATIONALSOZIALISMUS ABKAUFEN?
Nach der sogenannten šReichskristallnacht’ und dem deutschen Einmarsch in Prag am 15. März 1939, schien im deutsch-britischen Verhältnis die Eiszeit angebrochen zu sein.
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Ausgebranntes jüdisches Geschäfte 1938 nach Ermordung eines hohen deutschen Botschaftsbeamten in Paris durch den Juden Grynszpan
Berliner Synagoge
Deutsche Besetzung, nach dem deutschsprachigen Sudetenland, auch des gesamten tschechichen Teils der Tschechei
Noch einen Tag zuvor hatten nicht weniger als 50 in der šFederation of British Industries’ (FBI) vertretene Gruppen mit der šReichsgruppe Industrie’ (RI) das šDüsseldorf Agreement’ unterzeichnet, das eine Zukunft transnationaler Partnerschaft zu versprechen schien.
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Nachdem der Präsident der šBank of England’, Montagu Norman, zusammen mit seinem deutschen Kollegen Hjalmar Schacht im Stile von Finanzmagiern eine schwere Beschädigung des europäischen Bankensystems im Anschluß an den Bankrott der šWiener Credit-Anstalt’ verhindert hatte, zog sich Großbritannien politisch in die Isolation seines Empires und wirtschaftlich hinter die Schutzzollmauern des Sterlingblocks zurück.
Der Baron Montagu Norman, Governor of the Bank of England und, der Stellung und dem Gesichte nach zu urteilen, Teiljude
Hjalmar Schacht, Harvard-Absolvent (wie übrigens auch Baldur von Schirach, Hitlerjugend-Führer)
Verweigerte die Rückzahlung seiner Kriegsanleihen und trat in Konkurrenz zu den USA, die am Goldstandard festhielten. Bemerkte alsbald, dass die Dominien als Absatzmärkte nicht ausreichten und ohnehin schon auf natürlich liberale Weise in den Bann der Schwerkraft des Leitgestirns USA geraten waren. Trotz ihres hohen Gewichts fielen diese als Lokomotive der Weltwirtschaft aus. Roosevelts šNew Deal’ konnte als gescheitert angesehen werden. Die Folgen seiner Initiativen waren verpufft. Die Arbeitslosigkeit konnte nicht überwunden werden. Der Grund lag in der orthodoxen Finanzpolitik. Der Versuch, die Banken in den Griff zu bekommen und die Macht des Finanzkapitals zu brechen, war gleich im ersten Jahr seiner Regierung auf unüberwindlichen Widerstand gestoßen.
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Auch für eine offensive Europapolitik standen die Dominien nicht mehr zur Verfügung. šErfüllt die legitimen Forderungen der Deutschen!’ So war der Versuch, mit dem größten Außenhandelspartner in Europa, dem Deutschen Reich, zu Kartellabsprachen zu gelangen, um die schwere Wirtschaftskrise zu überwinden naheliegend. Mangels Kapital konnte Deutschland auch nicht als Konkurrent des Finanzzentrums London auftreten. Im Gegensatz zu den USA organisierten Privatindustrien Produktion und Konsumtion. In Zusammenarbeit mit ihren Regierungen sollten sie trustmäßig steuern, Marktanteile und Preise regulieren und gemeinsame Wirtschaftsvorhaben planen.
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Die auf Konfrontation mit Hitler-Deutschland setzende Fraktion im Foreign Office, geführt vom diplomatischen Chefberater der Regierung, Sir Robert Vansittart, ließ nichts unversucht, um die Ausgleichspolitik des Premierministers Neville Chamberlain zu unterlaufen. Durch die der šReichskristallnacht’ folgenden šTilea-Krise’, des angeblichen Versuchs Hitlers, Rumänien, seinen Weizen und sein à–l zu kassieren – eine Ente des privaten Geheimdienstes Vansittarts – fing die Stimmung der britischen à–ffentlichkeit an zu sieden. Chamberlain war gezwungen, mehr auf Abschreckung als auf Entspannung zu setzen.
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Aber bereits im folgenden Monat warnte das Schatzamt vor den Folgen einer unverminderten Aufrüstung: šWenn wir uns der Hoffnung hingeben, einen ebenso langen Krieg wie den von 1914 führen zu können, stecken wir unsere Köpfe in den Sand.’ Die Periode des šbewaffneten Friedens’ war nicht mehr zu finanzieren. Der Regierung wurde drastisch bewusst gemacht, dass sie sich in der klassischen Endphase einer imperialen Machtüberdehnung befand. Mit nur zehn Prozent der Industriekapazitäten musste sie ein Viertel der Erdoberfläche kontrollieren. Und der Hauptgegner, der einzige, der die britischen Inseln direkt bedrohen konnte, Deutschland, verfügte über eine Bevölkerung und ein Herstellungspotential, die beide doppelt so groß waren.
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Reichskriegsflagge 1938-45
Die Regierung Chamberlain befand sich in der wenige ersprießlichen Lage, einen doppelten Dreierspagat vollziehen zu müssen: Eine Flotte zu finanzieren, die im Gelben Meer den Japanern, im Mittelmeer den Italienern und in der Nordsee und im Atlantik den Deutschen Paroli bieten konnte.
Seit dem Beschluss im April, auch ein kontinentalen Herausforderungen genügendes Heer und eine Luftwaffe, die die deutsche abzuwehren und den Bombenkrieg nach Mitteleuropa hineinzutragen imstande war.
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Großbritannien verfügte noch über 500 Millionen Pfund in Gold und 200 Millionen an Auslandsguthaben, Aktien und Beteiligungen. Bei Ausgabe von konservativ geschätzten 20 Millionen Pfund im Monat, konnten sich die gewieften Geschäftsleute, die die Regierung bildeten, leicht ausrechnen, wann rüstungstechnisch Matthäus am letzten war. Im Gegensatz zu den Zeiten der šsplendid isolation’ konnten die Erträge aus den Finanzgeschäften die negative Handelsbilanz nicht mehr ausgleichen. Sie beeinträchtigten zusätzlich das Wechselkursverhältnis zum Dollar und hatte hohe Goldabflüsse zur Folge, die auch noch den Wert von Goldaktien fallen ließen. Die Anleihen für Rumänien und Jugoslawien, um den Balkan aus Hitlers Fängen zu lösen, hatten schon geschmerzt. Für das šgarantierte’ Polen war nur noch ein Taschengeld übrig, das nie ausgezahlt wurde.
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Die britische Hochrüstung, 1934 begonnen und auf fünf Jahre angelegt, trat im Sommer 1939 in ein entscheidendes Stadium, weil das Verfallsdatum für moderne Waffen ungefähr erreicht war. Man konnte das Veralten der neuen Jäger abwarten oder sie verschrotten, musste dann aber bei unveränderten politischen Konstellationen neue herstellen, für die kein Geld mehr da war. Oder man musste sie einsetzen, damit das in sie investierte Kapital sich rentierte. Rendite heißt in einem solchen Falle die Veränderung der Umstände zu seinen Gunsten. 1939 war der Grenznutzenpunkt im Verhältnis von eingesetztem Kapital und militärisch-politischen Wirkungsmöglichkeiten.
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Auf beiden Seiten. Hitler hat das seinen Generalen gegenüber klar ausgesprochen. Nach dem Münchener Abkommen wurde auf Anraten einer der zentralen Figuren des Widerstandes gegen Hitler, des ehemaligen Leipziger Bürgermeisters Goerdeler, die Zahlen für die englischen Jagdgeschwader noch einmal um dreißig Prozent erhöht – ein Tempo, das unter den gegebenen friedenswirtschaftlichen Umständen schon für 1940 nicht mehr einzuhalten wäre.
Europa ab Maerz 1939 mit der gesamtene Tschechoslowakei unter deutscher Macht
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Und auf Kriegswirtschaft wollte Chamberlain auf keinen Fall umschalten. Denn Kriegswirtschaft ist Gesellschaftspolitik. Den revolutionären Umbau der britischen Klassengesellschaft durch die Einbeziehung der organisierten Arbeiterschaft wollte er nicht verantworten. Nicht Kriegssozialismus, sondern schonender Umgang mit der švierten Waffengattung’ – dem freiwillig geliehenen Kapital – lag in seiner Absicht.
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Warnendes Standbild am Eingang zur City of London, wo der König selbst beim Mayor of London um Zutritt bitten muss
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Hinter den Kulissen einer Walfangkonferenz in London zwischen dem 17. und 21. Juli 1939 traf sich Görings rechte Hand in seiner Eigenschaft als Ministerialdirektor z.b.V. beim Beauftragten für den Vierjahresplan, Dr. Helmut Wohlthat, mit der šEminence grise’ der Regierung Chamberlain, Staatssekretär im Schatzamt, Sir Horace Wilson, dem Staatssekretär für Außenhandel, Hudson und dem Wahlkampfleiter der konservativen Partei, Sir Joseph Ball.
Wohlthat, mit einer Amerikanerin verheiratet und Absolvent der Columbia-Universität in New York,
die wie Harvard Teil der angesehenen “Efeu-Liga” ist
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Ob das als Gesprächsgrundlage dienende Memorandum bereits von Hermann Göring Monate zuvor vorgelegt worden, oder eine Eigeninitiative der Briten war, ist einerlei. Es spiegelt die Interessengleichheit bestimmter Fraktionen des deutschen wie des britischen Kapitals.
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Die Erklärung, die abzugeben die deutsche und die britische Regierung in ihm aufgefordert werden, beinhaltet nichts weniger als die Aufgabe der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik der Autarkie, der Außenhandels- und Währungskontrollen und die Anerkennung der Auslandsschulden. Die Wiederherstellung der Verbindung zwischen den europäischen Kapitalmärkten sollte mit der internationalen Schuldenregelung für Deutschland und Südosteuropa gekoppelt werden. Für den schwierigen àœbergang vom nationalsozialistischen zum liberalen Wirtschaftsmodell und der Rückführung der Rüstung auf ein niedrigeres Maß, wurden Unterstützungskredite in Aussicht gestellt.
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Im Grunde war das Memorandum die zum Programm erhobene fundamentale Kritik, die der damalige Außenminister Eden im Mai 1936 geäußert hatte: Deutschland sei zu einem wirtschaftspolitischen Zentrum auf der Grundlage von Verrechnungs- und Tauschabkommen sowie Exportsubventionen geworden, das den Handel zum Schaden der Freidevisenländer umlenke. Es entwickle eine Wirtschaftssystem, das dem der Sowjetunion nicht unähnlich sei und eine starke Attraktion auf die Donau- und Balkanländer ausübe. Wenn Deutschland und die Sowjetunion sich einander näherten, könnten sich West- und Osteuropa in zwei verschieden geartete Wirtschaftssysteme aufspalten. Es sei daher von dringender Wichtigkeit, Deutschland wieder an seinen normalen Platz im westeuropäischen System zurückzuführen. Wenn Deutschland seine Währungskontrollen aufgebe, könnte es wieder in den westeuropäischen Wirtschaftsblock eingegliedert und eine wichtige ökonomische Komponente des Bollwerks gegen den Kommunismus werden. Der Gefahr eines deutsch-russischen Wirtschaftsblocks müsse mit einer deutsch-britischen Wirtschaftsentente entgegengewirkt werden. Es drohe sonst die Gefahr eines zweiten Rapallo.
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Diese englische Kritik entsprach der des konservativen Widerstandes um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler, der den Nationalsozialismus als šbraunen Bolschewismus’ einschätzte. Das zweite Rapallo ließ auf sich warten und nahm dann die verzerrte Form des Hitler-Stalin-Paktes an.
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[JdN: Es sei daran erinnert, wie schockierend fuer die Reaktion es war, dass Hitler eine ROTE Fahne hisste und seine Gruppe eine SOZIALISTICHE ARBEITER-Partei nannte.]
Sir Horace Wilson glaubte an die Möglichkeit einer gemeinsamen Außenhandelspolitik der beiden größten europäischen Industriestaaten. Weder Deutschland noch England könnten allein im Konkurrenzkampf mit allen anderen einen vergleichbaren Wirtschaftsaufschwung herbeiführen, wie es eine planvoll gelenkte Zusammenarbeit ermöglichen würde. Ihre Verwirklichung könnte zu einer der größten Kombinationen in der Geschichte führen.
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Dieser Erklärung eines gemeinsamen Wirtschaftsprogramms sei allerdings eine politische Willensäußerung voranzustellen: die à„chtung von Gewalt in zwischenstaatlichen Beziehungen. (Diese Forderung war bemerkenswert, war die britische Zustimmung zum Briand-Kellog-Pakt doch von einer geheimen Klausel abhängig gemacht worden, militärische Gewalt im Empire anwenden zu dürfen, wenn es die Lage erfordere. Diese Halbherzigkeit entsprach dem britischen Vorbehalt im Völkerbund, Bomber gegen aufrührerische nordindische Volksstämme einzusetzen).
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šLebensraum’ hieß für den deutschen Expansionismus seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert vor allem Erschließung von Rohstoffgebieten. Das Dritte Reich, das auf Führergeheiß seit dem Sommer ’39 so nicht mehr genannt werden sollte, stieß in seinem Rüstungsprogramm gerade an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Insofern musste der Vorschlag Hudsons zur Bildung eines gemeineuropäischen kolonialen Condominiums in Afrika geradezu barrieresprengend wirken. (Rohstofferschließung, Verwaltung, Handel und Verkehr sollten im tropischen Afrika von Gesellschaften betrieben werden, die zu gleichen Teilen den Kolonialmächten und dem Deutschen Reich zugeeignet würden). Das war die afrikanische Parallele zu der liberalrevolutionären Idee, gemeinsam die wirtschaftliche Erschließung von drei großen Märkten zu betreiben: britisches Weltreich, China und Russland, unter der Voraussetzung, Japan und Stalin würden ihre Politik in eine vergleichbare Richtung lenken. Voraussetzung zur Realisierung von Plänen dieser Größenordnung wäre eine allgemeine Abrüstung, die dennoch den globalstrategischen und militärischen Verhältnissen des britischen Weltreichs und den zentraleuropäischen Großdeutschlands Rechnung tragen sollte.
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Es wäre unbritisch gewesen, beim Vorzeigen so vieler Karotten den Stock vergessen zu haben. Hudson hatte schon bei einem früheren Gespräch mit Sanktionen šdeutscher Art’ gedroht: mit Exportsubventionen. Einem Handelskrieg, den das kapitalstärkere Großbritannien gewinnen würde.
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Das Memorandum war šAll Souls’ pur. Ihm lag die Konzeption der šWelt der drei Blöcke’ zugrunde, wie sie im šRoyal Institute of International Affairs’ im Chatham House und an den Wochenenden auf dem von Liberalen und Linken gleichermaßen gehassten Landsitz der Astors, Cliveden, propagiert wurde.
Dem stand ein ebenso selbstbewusstes wie ehrgeiziges deutsches Programm gegenüber, wie es in der Sitzung der Ressorts im Auswärtigen Amt als Grundsatz für die deutsch-englischen Wirtschaftsbesprechungen aufgestellt wurde:
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šEine Vereinbarung über die Aufteilung dritter Märkte wird von der Reichsregierung nur so weit gebilligt, als es sich um Länder des Britischen Empire handelt. Grundsätzlich ausgeschlossen von solchen Verhandlungen sollen die Südost(-europäischen) Länder, Südamerika und Ostasien bleiben, dabei legt aber die Reichsregierung Wert darauf, dass ihre Haltung der englischen Seite nicht ohne weiteres preisgegeben wird. Im Gegenteil soll die deutsche Seite erklären, dass sie grundsätzlich zu jeder Verständigung bereit ist, und versuchen, die Engländer zu Ablehnungen zu bringen.’
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Berlin war auf die Schaffung eines blockadesicheren Großraums in Südosteuropa mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte aus: Eine großdeutsche Monroe-Doktrin sozusagen. Die nationalsozialistische Wirtschaftsdoktrin ließ ihn sich etwas kosten, indem sie marktferne Preise akzeptierte. Hudson bezeichnete sie als šWürgegriff’, der auch den Hals des einfachen Volkes umfasse, das mit minderem Lebensstandard zahle. Aber das war eine wirtschaftsorthodoxe Auffassung, die den Kern des Tauschhandels nicht wirklich erfasste.
Europa im Juli 1939
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Erneut war es Sir Robert Vansittart, der eine Pressebombe zündete, weil er fürchtete, dass über einen wirtschaftspolitischen Ausgleich hinaus, ein formales deutsches Imperium von der Westgrenze Frankreichs bis in die Ukraine und ans Schwarze Meer entstehen könnte. Ganz in der Hand der Deutschen, würde ein solcher Reichsmarkblock über die Türkei hinaus bis in den Vorderen Orient seinen Einfluss geltend machen. Erneut ratterte die Bagdad-Bahn durch britische Albträume. Die zu den Appeasement feindlichen Kreisen zählenden Starjournalisten Gordon-Lennox vom šDaily Telegraph’ und Vernon Bartlett vom Komintern beeinflussten šNews Chronicle’ kündeten von einem moralisch ungeheuerlichen Plan, das šzerrüttete’ Nazi-Regime durch einen Kredit von nicht weniger als einer Milliarde Pfund vor dem Ruin zu bewahren, um sich feige špeace for our time’ zu erkaufen. Die Volksseele kochte. Chamberlains Spielraum verengte sich auf einen Spalt.
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Aber der alte Premier war zäh, und seine Hintermänner ließen nichts unversucht, um gegen eine šüberzeugende Sicherheitsgarantie’ die deutschen Industrien und Finanzen in ein šfreiheitliches Wirtschaftssystem’ zurückzuführen.
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Eine Welt stand auf dem Spiel.
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So ließ Sir Horace Wilson einige Tage nach Wohlthats Abreise den Vertreter des Deutschen Pressebüros an der deutschen Botschaft, Dr. Fritz Hesse, in seine Privatwohnung bitten.
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Chamberlain sei bereit mit Hitler, ein auf 25 Jahre zu veranschlagendes Defensiv-Bündnis abzuschließen, einen Kolonialausschuss einzuberufen, Deutschland als Junior-Partner in die Ottawa-Handelsvereinbarungen des britischen Weltreichs mit seinen Vorzugszöllen einzubeziehen, den Londoner Finanzmarkt für Deutschland zu öffnen, so dass dieses Anleihen bis zu viereinhalb Milliarden Pfund aufzunehmen instand gesetzt sein würde.
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Voraussetzung dafür sei die Verpflichtung deutscherseits, keine Schritte in der polnischen Frage zu unternehmen, die den Krieg zur Folge haben könnten. Wörtlich: šDie Danzig-Frage ist im Augenblick unlösbar!’
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Der Untertext enthielt eine unzweideutige Botschaft: Deutschland gibt sein Streben nach der Position einer eigenständigen Großmacht auf und kehrt in jenen Völkerbund zurück, der nach Ansicht vieler Deutscher nur gegründet wurde, um die Irreversibilität des status quo von Versailles zu zementieren. Chamberlains Einsicht, dass man šseinen besten Kunden nicht umbringt’, bildete die Grundlage dieser Mischung aus wirtschaftlichem und politischem Egoismus und Entgegenkommen in einer prekären Lage. Außerdem könnte die lebensfähige Existenz eines marktwirtschaftlichen Sozialismus sich langfristig als beispielhaft erweisen.
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Die Labour-Führer hassten ihn inbrünstig, weil sie in ihm ein Konkurrenzmodell erblickten, in dem ihresgleichen nicht mehr gebraucht wurden, weil Unternehmer- und Arbeiterschaft in einer gemeinsamen šArbeitsfront’ einander auf Augenhöhe begegneten. So wenigstens die insgeheime Befürchtung.
Reichsarbeitsdienst
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Würde Hitler dem Plan zustimmen, könnte er trotz Gegenhaltens der konservativen Opposition bleiben. šHitler würde zu einem der bedeutendsten Staatsmänner aufsteigen!’
Nichts weniger wurde verlangt als die Transsubstantiation des Nationalsozialismus mit begleitendem, selbstverfügten Damaskus-Erlebnis seines Führers: Er würde sich bei Unterzeichnung als Saulus an den Konferenztisch setzen, um sich als Paulus wieder zu erheben. Ein gelenkter Kapitalismus der Trusts und Industrieverbände erschien den englischen Wirtschaftsführern ja als ideales Modell, um endlich aus der nachwirkenden Depression des großen Krachs wieder herauszukommen. Zu ihren Bedingungen.
Wie sah Hitler das heimliche Anerbieten in Hinterzimmern? – š Wenn etwas durchsickere, könne Chamberlain sogar zum Rücktritt gezwungen werden!’
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Hitler stand in der Tradition des šPreußischen Sozialismus’ der Konservativen Revolution. Er lehnte das Rentabilitätsprinzip als Grundsatz der Wirtschaft ab, an dessen Stelle nachhaltige Bedarfsdeckung und Chancengleichheit aller in der Volksgemeinschaft treten sollten. šBrechung der Zinsknechtschaft’ war eine der frühen Forderungen seiner Partei gewesen. “ Hitler hatte sich für die Verstaatlichung der šanonymen Kapitalgesellschaften’ ausgesprochen. An die Stelle von Aktiendividenden sollte die sichere Verzinsung von Staatspapieren treten, die von Staatsbürgern aller Schichten erworben werden könnten, die nach einer Anlage ihrer Ersparnisse suchten.
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Außenminister Lord Halifax
Mit der Generation der šRound Tabler’ vor Chamberlain und Halifax mit ihrer im Kriege geborenen Forderung nach šSozialistischen Trusts’, wäre er eher ins Geschäft gekommen. Aber Lord Milners Nachfolger in der šoffenen Geheimgesellschaft’, Lord Brand, Investmentbanker und geschäftsführender Direktor von šLazard Frères’, war wieder zu einem herkömmlichen Finanzkapitalismus zurückgekehrt. Außerdem war Hitler wie viele seiner deutschen Zeitgenossen vom Trauma der Blockade gezeichnet, die Hunderttausenden des Leben gekostet hatte – noch über das Kriegsende 1918 hinaus. Er hat seine Meinung auch gegenüber dem Völkerbundbeauftragten für Danzig, Jacob Burckhardt, deutlich geäußert:
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žIch will das nicht, Freihandel, offene Grenzen, das ist alles prächtig, wir haben es gehabt. Aber wenn alles von der Herrin der Meere abhängt, wenn wir einer Blockade unterworfen werden, dann ist es meine Pflicht, eine Situation zu schaffen, in der mein Volk von seinem eigenen Fett leben kann. Das ist die einzige Frage. Alles andere ist Unsinn.”
Hitler strebte einen Ausgleich mit England auf der Basis der Anerkennung einer Großmachtstellung im zentralen und südöstlichen Europa an, die von Seemachtseite her nicht unmittelbar bedroht werden konnte. Dabei weckte er in den Briten der Gleichgewichtsschule das alte Trauma einer kontinentalen Vorherrschaft, die allein durch ihre Anziehungskraft benachbarte Staaten zu Trabanten werden lässt und theoretisch auch der kleinen Insel gefährlich werden könnte.
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Eingebunden aber in ein System der Trusts und Wirtschaftsverabredungen, glaubten Chamberlain und seine Anhänger in der konservativen Partei diese Gefahr durch Verschränkung der Interessen bannen zu können. Nebenbei erwiese sich eine Staatsanleihe in der vorgeschlagenen exorbitanten Höhe als außerordentlich lukrativ für die Londoner Banken. Die šZinsknechtschaft’, von der die Nationalsozialisten loskommen wollten, wäre nach ihrer Ansicht erneut eingetreten.
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Das šFestbleiben’ in der šPolen-Frage’ und das gleichzeitige Angebot einer Wirtschaftsentente waren ein Test, ob Hitler selbst zu den šGemäßigten’ in seiner Partei gehörte oder zu den šExtremen’, die als radikal Antiliberale auch ein autarkistisches Wirtschaftsprogramm durchsetzen wollten, das keinen Anschlusss an das britische ermöglichte.
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Dass die Wohlthat-Gespräche nicht zu šweltgeschichtlicher Bedeutung’ gelangten, lag an den Missverständnissen unter denen beide Parteien handelten.
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Hitler glaubte, dass er mit einem finanziellen Köder von der Erfüllung der Revisionspolitik, deren Endsteine Danzig und der Korridor darstellten, abgehalten werden sollte. Er würde für nichts fast alles geben müssen. Ein wirtschaftspolitisches Modell, das inmitten einer trostlosen internationalen Nachbarschaft selbst Amerikanern als beispielhaft galt. Hingegen hätte England ihm praktisch alle vorhergehenden Revisionen, Wehrhoheit im Rheinland, Vereinigung mit à–sterreich und den Sudeten, bei šhome rule’ für die tschechischen Gebiete Böhmen und Mährens garantiert. Das war keine Kleinigkeit!
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Die Briten ihrerseits unterschätzten die Möglichkeiten eines Systems, wie es das nationalsozialistische war.
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Eine Deutungsmöglichkeit wäre, dass die Regierung Chamberlain dem konservativen Widerstand gegen Hitler über Wohlthat, der seinem äußeren Kreis angehörte, einen Wink mit dem Zaunpfahl gab: Großbritannien bleibt wie gefordert in der Polen-Frage šfest’, räumt Hitler keinen weiteren außenpolitischen Erfolg mehr ein und überlässt ihn seinen, vom Widerstand übertrieben dargestellten, wirtschaftspolitischen Problemen: što make Germany safe for a conservative revolution!’ Eine Art šEhrenpräsidentschaft’ für Hitler und eine àœbergangsregierung Göring galt sogar noch 1940 als akzeptabel. Aber der konservative Widerstand rührte sich nur verbal. Danzig, der Korridor und Hilfe für ihre unterdrückte Minderheit in Polen waren allen Deutschen ein Anliegen.
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Massaker von Bromberg der Pole an den wehrlosen Volksdeutschen
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Chamberlain versuchte vermutlich einem Kriege aus dem Wege zu gehen. Ihm war die Vorstellung eines šKriegssozialismus’ verhasst. Hitler wollte ihn unter den gegebenen Umständen wohl auch nicht, nahm ihn aber billigend in Kauf: šWenn sie schon wegen Danzig gegen mich Krieg machen, werden sie es unter günstigeren Umständen sowieso tun!’ Er fühlte sich auf dem relativen Höhepunkt seiner Macht. Die Briten auch. Frankreich hinter seiner Maginot-Linie sicher, die Jagdwaffe und die elektronische Flugabwehr auf einem Deutschland überlegenen Höhepunkt, erwarteten sie Hitlers Eröffnung mit Gelassenheit: šHitler has missed the bus!’
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Mit dem Abschluss seines Paktes mit Stalin hatte Hitler das šBollwerk gegen den Kommunismus’ zusätzlich eingerissen und Edens Befürchtung aus dem Jahre 1936 bestätigt. Gäbe man in der Danzig-Frage nach, würde man Polen ins Lager der Deutschen treiben, verlöre Whitehall sein Ansehen als Schiedsrichter des Machtgleichgewichts und besäße keinen Einfluss mehr in Osteuropa, das sich vollends an dem andersartigen, feindlichen Wirtschaftsraum Deutschland orientierte.
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Das Scheitern der Wohlthat-Gespräche im Juli 1939 scheint eine Bestätigung der Friedensforschung zu sein, dass die Häufung von Waffen zu ihrem Gebrauch drängt. Dass die Redner-Tribünen der Politiker auf Eisbergen stehen, die der Rhetorik ungeachtet unaufhaltsam bis zur Kollision aufeinander zu driften. Die vielen Kriege nach 1945 wären dann nicht ideologischen Auseinandersetzungen geschuldet – bei geringer Rüstung šappeasement’ – sondern nur eine banale Funktion der seitdem nicht mehr unterbrochenen Hochrüstungen – die freilich ökonomische Gründe haben, die im militär-industriellen Komplex mit ihnen verschmelzen. Das wusste bereits Neville Chamberlain und legte es in einer Rede am 22. Februar 1939 auf einem Parteitag der Konservativen in Blackburn dar.
(Artikel von einem Kameraden verfasst und von mir mit Fotos angereichert).
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