GERMAN Der Kini (Ludwig II v. Bayern) war 3 Tage vorm “Ertrinkungstode”noch gut bei Sinnen und wusste klar vom Putsch

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Der Kini entlarvte den Putsch, bevor er starb

Von Berthold Seewald | Stand: 15:54 Uhr | Lesedauer: 6 Minuten
Die Absetzung Ludwigs II. von Bayern 1886 wurde mit seiner Geisteskrankheit begründet. Der Fund seines letzten Briefes drei Tage vor dem Tod zeigt, dass er das Spiel längst durchschaut hatte.
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Am 10. Juni 1886 war König Ludwig II. von Bayern über alle Maßen empört. žIn höchster Eile” berichtete er seinem Vetter Prinz Ludwig Ferdinandaus Neuschwanstein Unerhörtes: dass žein Minister u. eine meiner Hofchargen in aller Stille angekommen” seien und dass sie befohlen hätten, žmeinen Wagen u. Pferde hier ¦ wegzunehmen hinter meinem Rücken u. wollten mich zwingen nach Linderhof zu fahren, offenbar u. mich dort gefangen zu halten”. Einen Tag später war der žKini” abgesetzt, zwei Tage später tot, ertrunken im Starnberger See. Mit ihm ließ sein Psychiater Bernhard von Gudden das Leben.

Was damals in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni und davor geschah, hat selbst die Bibliothek an Biografien, Rekonstruktionen und Verschwörungstheorien nicht klären können, die seitdem zusammengetragen wurde. Mehr noch als seine exzentrischen Schlösser hat sein Tod Ludwig II. zur Lichtfigur bajuwarischer Patrioten, romantischer Monarchisten und von Tourismusmanagern gemacht. Auf preußisch geprägte Gemüter kann das recht verstörend wirken, zumal die Figur Wilhelms II., mit dem sich die Hohenzollern-Dynastie in die Geschichte verabschiedete, doch eher mit unappetitlichen Erinnerungen verbunden ist.

Ludwig II. “ Genialität trifft Wahnsinn

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König von Bayern, žMärchenkönig” Ludwig II., glaubt an die Veredelung der Menschen durch Kunst und Musik. Der Film zeigt sein žwahnsinniges” Leben bis er unter ungeklärten Umständen stirbt.

Quelle: Warner Bros.

Wie ernst es vielen Bayern mit Ludwig II. noch ist, zeigt die Deutung des Fundes, den der Publizist und CSU-Politiker Peter Gauweiler jetzt im Museum der Bayerischen Könige in Hohenschwangau vorstellte: Den vermutlich letzten Brief, den der Königvor Absetzung und Tod zu Papier brachte, für Gauweiler ein Beweis dafür, dass der Märchenkönig geistig klar war und dass ihm unrecht getan wurde: žDie exekutiven Träger der Staatsaktion (haben) eigentlich alles missachtet, gebeugt und gebrochen, was zu dieser Zeit im Deutschen Reich und im Königreich Bayern Recht war.” “ Vorschriften für Entmündigungen, Hausgesetze der Wittelsbacher und die bayerische Verfassung von 1818.

Der Brief an Ludwig Ferdinand stellt klar, dass Ludwig sehr genau wusste, was sich um ihn zusammenbraute: žeine schändliche Verschwörung”, um žAbdankung zu ertrotzen”. žSchon früher schrieb ich Dir daß ich über absichtlich mit Geld herumgestreute Gerüchte über mich (angebliche Krankheit) an der nicht eine Sylbe wahr ist, gehört habe.” Und: žWer kann nur hinter einem solchen Verbrechen stecken, Prz. Luitpold vermuthlich.”

Tatsächlich war Prinz Luitpold eine Schlüsselfigur in dem Königsdrama, das die bayerische Regierung im Sommer 1886 aufführte. Da Ludwigs Bruder Otto bereits 1873 für geisteskrank und regierungsunfähig erklärt worden war, gehörte die Bereitschaft des Onkels, die Regentschaft zu übernehmen, zu den entscheidenden Zügen des Spiels.

Nachdem Bismarck den bayerischen König 1870 mit politischem Druck und der Aussicht auf erhebliche Summen aus dem Reptilienfonds dazu gebracht hatte, dem preußischen König die Krone des kleindeutschen Kaiserreichs anzudienen, hatte sich Ludwig mehr und mehr in seine Traumwelt aus Kunst und Mythen zurückgezogen. Eine Fahrt auf Bayreuths Grünen Hügel 1876 gilt als letzter öffentlicher Auftritt. Um wichtige Unterschriften zu erhalten, mussten Minister ihm auf Berge nachreisen. Als er für seine Schlösser 1886 weitere sechs Millionen Gulden forderte, sah die Staatsregierung die Grenze zur Regierungsunfähigkeit überschritten.

Am 7. Juni erhielt der Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie an der Universität München, Bernhard von Gudden, den Auftrag, die Psyche des Königs zu begutachten. Ohne den hochadeligen Patienten je untersucht zu haben, legte Gudden das Papier innerhalb von 24 Stunden samt den Unterschriften von drei Kollegen vor: žSeine Majestät sind in sehr fortgeschrittenem Grade seelengestört und zwar leiden Allerhöchstdieselben an jener Form von Geisteskrankheit, die den Irrenärzten wohl bekannt mit dem Namen Paranoia (Verrücktheit) bezeichnet wird.”

Daraufhin wurde der Monarch entmündigt und Prinz Luitpold am 10. Juni zum Regenten ernannt. Doch so einfach war die Sache nicht, wie Ludwig in seinem Brief an Ludwig Ferdinand berichtet: žDurch Gendsdarme u. Feuerwehr, die sich tapfer entgegenstemmen ward dieß (die Verhaftung; d. Red.) vorläufig vereitelt. Die Schand-Rebellen wurden arretirt.” Erst eine zweite Kommission, zu der auch Gudden gehörte, kam am 11. Juni bis zum König in Neuschwanstein durch und vollzog die Absetzung. Ein Assistenzarzt hat den Dialog zwischen Ludwig und Gudden notiert: Ludwig: žWie können Sie mich für geisteskrank erklären, Sie haben mich ja gar nicht vorher angesehen und untersucht?” Gudden: žMajestät, das war ja nicht nothwendig; das Aktenmaterial ist sehr reichhaltig und vollkommen beweisend, es ist geradezu erdrückend.”

žIn ethischer und fachlicher Hinsicht unvertretbar”

Auf der Grundlage der Akten haben ganze Generationen von Psychologen und anderen Exegeten die Gemütslage Ludwigs zu rekonstruieren versucht. Die Urteile reichen von žschizotyper Störung” bis zu einer žnicht stoffgebundenen Sucht”. Das Gutachten selbst sei žin ethischer, fachlicher und wissenschaftlicher Hinsicht ¦ unvertretbar”, resümiert der Heidelberger Emeritus für Psychiatrie Heinz Häfner.

Für Gauweiler und andere Anhänger des žKini” ist der neu entdeckte Brief ein endgültiger Beweis dafür, dass Ludwig bis zuletzt im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen ist, mit denen er žsein Königtum in ein Gesamtkunstwerk” verwandelte. Damit bekomme des Königs Botschaft auch für die Gegenwart Gewicht: žEr war das Volk. Für die, die nicht Hochdeutsch sprachen und die nie gefragt wurden, wenn es um Konstitution und Aufgabe des eigenen Staates geht, und die bis zum heutigen Tage nicht befragt werden.”

Doch der Brief ist auch nur ein Aktenvorgang. Wenn Ludwig die Gefahr, die im drohte, so klar erkannte, warum folgte er dann nicht dem Rat, nach Tirol zu fliehen? Oder sich seinem Volk in München zu zeigen und gegen die žSchand-Rebellen” zu mobilisieren? Warum erwartete er passiv sein Schicksal?

Schubweise in die Depression?

Nicht nur der Inhalt des Briefs, sondern auch die Reaktion ist ein Zeugnis. Paranoia, also Verfolgungswahn und Wahngedanken, können sowohl bei Psychosen wie etwa der Schizophrenie auftreten als auch Teil einer schweren Depression sein. Diese verläuft “ wie auch andere psychische Erkrankungen “ in der Regel in Schüben. Sie können schleichend beginnen “ aber auch ganz plötzlich. Dazwischen kann es dem Patienten durchaus gut gehen. Ganz ähnlich ist es bei Psychosen: Auch hier gibt es Phasen, in denen der Betroffene žverrückt” zu sein scheint, und Phasen, in denen er fast symptomfrei ist und normal am Alltag teilnehmen kann.

Wie dem auch sei. Der Brieffund beweist vor allem auch, dass Ludwig II. weiterhin für Entdeckungen und Interpretationen gut ist. In diesem Fall kam er durch Tausch mit einem Angehörigen des Hauses Wittelsbach ins Geheime Hausarchiv in München. Wer diese III. Abteilung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs besuchen will, muss noch immer um die Genehmigung des Chefs der Familie nachsuchen, die in sensiblen Fällen durchaus eng ausgelegt wird. Manuskripte sind in den Magazinen schon verschwunden, und manches bekamen lange nur handverlesene Forscher zu Gesicht. So sorgt auch die Familie dafür, dass Ludwig II. weiterhin für àœberraschungen gut ist.

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