Frankreich: Polizei ist erschöpft von pausenloser Aufstandsbekämpfung und will nicht mehr
27. Juni 2016 (von Niki Vogt) Seit Anfang März vergeht in Paris keine Nacht, in der nicht vielfältige Aktionen stattfinden. Seit die Regierung versucht, mit sehr umstrittenen, neuen Arbeitsgesetzen die umfangreichen Rechte der Arbeiter und Angestellten empfindlich zu beschneiden in dem Versuch, der Arbeitslosigkeit und der Talfahrt der französischen Wirtschaft Herr zu werden, kommen die Polizisten besonders in Paris, aber auch in vielen anderen französischen Großstädten nicht mehr zur Ruhe.
Bei den Protesten, die nicht nur tagsüber schon ständig Einsatzkräfte binden, gibt es oft gleichzeitig an verschiedenen Orten der Stadt die verschiedensten Formen von Protest. Ob es das Orchester und der Chor der Oper ist, die den Chor der Gefangenen aus Nabucco aufführen oder linksradikale Chaoten, die riesigen Sachschaden anrichten. Nicht selten unternehmen sie Angriffe auf Polizisten und deren Fahrzeuge, die schon als Mordversuch gewertet werden müssen.
Nachts stehen dann bisweilen Branstiftung, oft auch durch Bengalos an “ oder Darbietungen fröhlicher Protestler mit Akrobatik, unplugged Rockmusik, Massendisco “ oder Einbrüche und Plünderungen von Geschäften. Dies sind die größten und andauerndsten Proteste in Frankreich seit der Französischen Revolution. Landesweit gehen die Menschen auf die Straße, Arbeitsniederlegungen und Blockaden legen die Betriebe lahm. Die Streiks in à–l-Raffinerien und hunderten Tanklagern legten die Tankstellen und damit die Mobilität Frankreichs lahm. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, streikte auch noch die Staatliche Eisenbahn.
Die Polizei hat keinen Tag und keine Nacht Langeweile. Zu all dem kommt jetzt noch die EM mit randalierenden und gewalttätigen Hooligans, Horden von Betrunkenen, ausgelassen Feiernden, die nicht selten Opfer von Kriminellen werden oder sich selbst in Schwierigkeiten bringen. Auch dafür rückt die Polizei ständig aus und hat dennoch, trotz massiver Verstärkung kaum ausreichend Einsatzkräfte. àœberdies steht auch noch die dauernde Bedrohung durch eventuelle Terroranschläge im Raum, die ein immens hohes Aufgebot von Sicherheitskräften fordert.
Die Regierung sieht aber keine Möglichkeit, den Druck auf die Polizei zu vermindern. Nun hat die ungeliebte Regierung Hollande auch noch die Polizeigewerkschaft gegen sich aufgebracht.
Das Militär wird er kaum zur Hilfe bitten können, denn dort ist die Stimmung gegen den Präsidenten so ausgeprägt, dass seit 2013 bei Militärparaden nicht nur “ wie überall aus Sicherheitsgründen bei Paraden üblich “ die Waffen nicht aufmunitioniert sind, sondern sogar die Schlagbolzen entfernt werden. Das gab es zuletzt in der DDR, wo die Obrigkeit auch weder dem Volk noch der Armee noch traute.
Nun steht am Donnerstag ein nationaler, landesweiter Tag des Protests gegen die neuen Arbeitsgesetze an. Die größte Polizeigewerkschaft wendet sich nun offen an die Bevölkerung und bittet, wenn schon die Regierung žkeinen Möglichkeit sieht”, die Beamten zu entlasten, daß wenigstens das Volk ein Einsehen mit ihnen habe und diesen landesweiten Protesmarsch zeitlich nach hinten verlegt. Die Polizisten seien erschöpft, überarbeitet und leiden unter Schlafmangel. Sie bräuchten dringend Erholung. Etwa 200 Kollegen seien bei den Protestmärschen bisher verletzt worden, und die französischen Polizisten beklagten sich, daß es jedesmal dasselbe, ermüdende Spiel sei, zwischen die Fronten von Regierung und aufgebrachter Bevölkerung zu geraten und wütender Gewalttätigkeit ausgesetzt zu sein. Die Moral der französischen Polizei liegt am Boden.
Die Medien hier in Deutschland und in den anderen EU-Ländern schweigen dazu. Nur in in Großbritannien wird davon bisweilen berichtet. Die britische Presse ist hier noch relativ frei.
Man möchte nicht, daß die Leute in anderen Ländern sehen, wie Menschen um ihre Rechte und um ihre Freiheit kämpfen. Und schon gar nicht, daß der Knüppel des Systems, die Polizei, keine Lust mehr hat, die eigenen Knochen für die verfehlte Politik der Granden hinzuhalten. Wenn es so weit kommt, daß Polizei und Militär restlos überfordert sind und innerlich schon gekündigt haben, weil sie das eigene Volk nicht dauernd niederknüppeln wollen, ist das der Abgesang auf das herrschende System. Wenn das das Volk sieht und begreift, geht es sehr schnell.
Auch wenn man den anderen Völkern der EU ein Referendum nicht žerlauben” wird (Das Volk ist der Souverän? Demokratie?) ¦ spätestens, wenn die Sicherheitskräfte nicht mehr mitspielen, ist es vorbei.
Hallo John de Nugent,
Hier in DE ist es noch relativ ruhig, auch wenn jetzt doch schon ein wenig öfter protestert wird.
Bei all diesen Vorfällen frage ich mich immer: wann begreift die “Polizei” die Menschen dort, auf welcher Seite sie stehen wollen.
Denn wenn sie auch jetzt noch den Knüppel schwingen, ist doch klar, das sie auch nur “Viehfutter” sind. Und wenn diese Menschen, die Polizei sind, so weitermachen, haben sie ihre Nachbarn, Freunde und Verwandten bald auch nur noch als Feinde.
Irgendwann muß Jeder sich entscheiden, wo er steht.
Danke für den Kommentar.
Ich las viel aus Alexander Solschenitsyns Romanzyklus Das rote Rad zum Ersten Weltkriege und den Revolutionen von 1917.
Den Polizisten ging es da wegen der Volkswut ziemlich an den Kragen….