“Was Putin NICHT ist” von Stephen F. Cohen (The Nation)
Stephen F. Cohen, emeritierter Professor für Russische Studien und Politik an der Universität Princeton und der Universität New York (NYU), und John Batchelor setzen ihre (meist) wöchentlichen Diskussionen über den neuen amerikanisch-russischen Kalten Krieg fort. (Frühere Ausgaben, jetzt in der fünften halbjährlichen Ausgabe, finden sie unter TheNation.com .) Dieser Beitrag ist anders. Das Gespräch basierte auf Cohens Artikel unten, der am Tag der Sendung fertig gestellt wurde.
[Quelle: https://www.thenation.com/article/who-putin-is-not/ ]
[JdN: Alle Fotos wurden von mir hinzugefügt.]
” Putin ist ein böser Mann und er hat böse Taten zum Ziel.”
— Senator John McCainPutin war KGB-Agent. Per Definitionem hat er keine Seele . “
“Falls Ihnen das [mit Putin] bekannt vorkommt, es ist genau das, was Hitler in den 1930er Jahren tat .”
—2016 Demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton
Die Art und Weise, wie das amerikanische Volk über Russland denkt, wird seit mindestens zehn Jahren von einem künstlich aufgebauten Feindbild, dem eines bösartigen Wladimir Putin, verzerrt.
Henry Kissinger verdient Anerkennung dafür, dass er (womöglich als einziger prominenter amerikanischer Politiker) vor diesem stark verzerrten Bild des russischen Führers, das seit dem Jahre 2000 aufrechterhalten wird, warnte: „Die Dämonisierung von Wladimir Putin stellt keine politische Strategie dar, sondern ist ein Alibi dafür, eigentlich gar keine zu haben.“
Aber Kissinger lag nicht ganz richtig, denn Washington hat eigentlich recht viele politisch-strategische Entscheidungen getroffen, die stark von einer Dämonisierung Putins bedingt sind – und diese Verteufelung übersteigt bei weitem die Verunglimpfungen gegen die Person der damaligen, kommunistischen, Führer der verblichenen Sowjetunion.
Diese Politik begann im Jahre 2000 mit einer wachsenden Zahl von Anschuldigungen, weitete sich dann zu den amerikanisch-russischen Stellvertreterkriegen in Georgien, der Ukraine und Syrien aus, und führte zu Hause sogar zu den “Russiagate”- Vorwürfen. (A.d.Ü.: “Russiagate” bezeichnet die vom US-Tiefen Staat propagierte Dauerlüge, und den FBI-Untersuchungswahn, wonach Donald Trump, weil er im Umgang mit der Atomgroßmacht Russland den Frieden will, angeblich ein Verräter im Dienste Russlands sei).
Tatsächlich übernahmen die politischen Entscheidungsträger eine einstige Formulierung des verstorbenen Senators John McCain als integralen Bestandteil einer neuen und weitaus gefährlicheren Hetze zur Inszenierung des neuen Kalten Krieges:
„Putin ist unbelehrbarer russischer Imperialist und KGB-Apparatschik…. Seine Welt ist ein grausamer, zynischer Ort…. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Menschheit noch weiter von der finsteren Welt des Herrn Putin eingenommen wird.“
Die Mainstream-Medien spielten eine wichtige “staatsanwaltliche” Rolle bei der Verteufelung Putins. Sätze wie jener, den die Chefredakteurin der Washington Post schrieb, sind derzeit Gang und Gebe im Westen:
“Putin likes to make the bodies bounce…….” [A.d.Ü.: Gemeint sind menschliche Körper, die durch eine Explosion in die Luft geschleudert werden, zur angeblichen Belustigung von Herrn Putin]. Die Herrschaft durch Angst ist typisch sowjetisch, aber im Falle von Putin stehe keine Ideologie dahinter – nur eine giftige Mischung aus persönlicher Selbstverherrlichung, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und primitivem Anti-Amerikanismus.”
Angesehene Zeitschriften und Schriftsteller verlieren zunehmend ihren guten Ruf und ihre Glaubwürdigkeit, indem sie Herrn Wladimir Putin als “die schlaff bemuskelte Gestalt” oder “der kleine graue Ghul namens Wladimir Putin” bezeichnen. Es gibt gar Hunderte von solchen Beispielen, wenn nicht sogar mehr, die sich über viele Jahre hinweg angesammelt haben. Die Verunglimpfung des russischen Führers ist zu einem Kanon der orthodoxen US-Narrative des neuen Kalten Krieges geworden.
Wie bei allen Institutionen hat auch das Dämonisierungsprojekt Putin seine eigene Geschichte. Als er 1999 – 2000 zum ersten Mal als Boris Jelzins gesalbter Nachfolger auf der Weltbühne auftrat, wurde er von führenden Vertretern des politischen Establishments in den USA begrüßt.
Der Chefkorrespondent der New York Times in Moskau und andere Gutachter berichteten, der neue russische Führer habe “eine emotionale Verpflichtung zum Aufbau einer starken Demokratie” gehabt. Zwei Jahre später lobte Präsident George W. Bush seinen Gipfel mit Putin als “den Beginn einer sehr konstruktiven Beziehung”.
Wer war dieser Putin denn wirklich in all den vielen Jahren, in denen er an der Macht war? Möglicherweise müssen wir diese große, komplexe Frage zukünftigen Historikern überlassen, wenn Materialien für vollständige biografische Studien – Memoiren, Archivdokumente und andere – verfügbar sein werden. Trotzdem mag es die Leser überraschen, zu wissen, dass Russlands eigene Historiker, politische Intellektuelle und Journalisten bereits öffentlich darüber streiten und sich in Bezug auf die „Vor- und Nachteile“ von Putins Führung stark unterscheiden. (Meine eigene Bewertung von ihm steht irgendwo in der Mitte.)
In Amerika und anderswo im Westen zählen jedoch nur die angeblichen “Minusse” in einem extrem verunglimpfenden Anti-Putin Kult. Viele Kritiker sind im Wesentlichen uninformiert, fuβen sich auf hochselektiven oder unverifizierten Quellen und werden durch einige politische Missstände motiviert, darunter jene mit mehreren [JdN: JÜDISCHEN!] Oligarchen aus der Jelzin-Ära und mit ihren Handlangern im Westen.
JdN: Putin mit dem jungen Multi-Milliardär-Juden und Kriminellen Michail Chodorkowski, der mit dem gestohlenen Geld der Ölfirma Yukos eine Anti-Putin-Partei gründen wollte, um weiterhin dem russischen Volk das Blut auszusaugen. Er verbrachte sieben Jahre im Gefängnis in Sibirien wegen seiner nachgewiesenen Verbrechen.
Indem wir, wenn auch nur kurz, die hervorstechenden “Minusse” ausmachen und untersuchen, die der Verteufelung Putins zugrunde liegen, können wir zumindest verstehen, wer er eben nicht ist.
***
§ Putin ist nicht der Mann, der nach seinem Amtsantritt im Jahr 2000 eine von Präsident Boris Jelzin in den 90er Jahren gegründete russische Demokratie “ent-demokratisierte” und ein neues System, welches eher dem sowjetischen “Totalitarismus” ähnelt, wiederhergestellt hat.
Die Demokratisierung begann und entwickelte sich nämlich schon in der Sowjetunion unter dem letzten sowjetischen Führer Michail Gorbatschow in den Jahren 1987 bis 1991.
Bush I. und Gorbatschow
Jelzin hat dieses historische russische Experiment eigentlich wiederholt mit schweren, möglicherweise tödlichen Schlägen überschüttet. Unter anderem durch den Einsatz von Panzern im Oktober 1993, um das freigewählte russische Parlament und damit die gesamte verfassungsmäßige Ordnung, die Jelzin zum Präsidenten gemacht hatte, zu zerstören.
Indem man zwei blutige Kriege gegen die kleine abtrünnige Provinz Tschetschenien führt.
Indem sie es einer kleinen Gruppe von mit dem Kreml verbundenen Oligarchen ermöglichte, die reichsten Güter Russlands zu plündern und etwa zwei Drittel seiner Bevölkerung in Armut und Elend zu stürzen, einschließlich der einst großen und professionalisierten sowjetischen Mittelschicht.
Indem er seine eigene Wiederwahl 1996 manipuliert hat.
Und indem er eine “über-präsidiale” Verfassung verabschiedete, auf Kosten der Legislative und der Justiz, aber zu Gunsten seines Nachfolgers.
Putin mag diese Entdemokratisierung der Jelzin-Neunzigerjahre vorangetrieben haben, aber eingeleitet hat er sie nicht.
§ Putin machte sich auch nicht zum Zaren oder Sowjet-ähnlichen “Autokraten”, der zu Recht als Despot bezeichnet werden dürfte, der die absolute Macht besitzt, um seinen Willen in der ganzen Politik umzusetzen. Der letzte Kremlführer mit einem solchen Übermaß an Macht war Stalin, der 1953 gemeinsam mit seinem 20-jährigen Massenterror wegstarb.
Aufgrund der zunehmenden bürokratischen Routine des politisch-administrativen Systems hatte jeder nachfolgende Sowjetführer weniger persönliche Macht als sein unmittelbarer Vorgänger.
Stalin, Truman und Churchill im Jahre 1945
Es mag schon sein, dass Putin wohlhabender ist als andere, aber wenn er wirklich ein “kaltblütiger, rücksichtsloser” Autokrat wäre – “der schlimmste Diktator auf dem Planeten”, wäre es Tausenden von Demonstranten nicht gestattet worden, sich mehrmals auf Moskaus Straßen zu versammeln.
Manchmal geschah dies sogar mit offizieller Genehmigung. Und ihre Proteste (und gezielte Verhaftungen) wären nicht im staatlichen Fernsehen gezeigt worden.
“Nyet” (“Nein!”)
Politikwissenschaftler sind sich im allgemeinen einig, dass Putin ein “sanft-autoritärer” Führer ist, der über ein System regiert, dessen autoritäre und demokratische Komponenten aus der Vergangenheit stammen.
Sie sind sich nicht einig, wie diese Elemente genau beurteilt werden sollen, aber die meisten würden auch generell einem kurzen Facebook-Post des berühmten Diplomaten und Wissenschaftlers Jack Matlock vom 7. September 2018 zustimmen:
„Putin… ist kein absoluter Diktator, so wie ihn einige Leute dargestellt haben. Seine Macht scheint auf dem Kräfteausgleich verschiedener Netzwerke von altem Stammpersonal zu beruhen, von denen einige immer noch kriminell sind. (In den 1990’er Jahren waren es die meisten Netzwerke — und überhaupt niemand hatte sie unter Kontrolle.)
Daher kann er nie öffentlich sagen, dass ohne seine Zustimmung [kriminelle Handlungen] stattgefunden haben, da diese Aussage bedeuten würde, dass er [obwohl Staatschef] nicht gänzlich das Sagen hat.“
§ Putin ist kein Kreml-Führer, der „Stalin verehrt“ und dessen „Russland ein Gangster-Schatten von Stalins Sowjetunion“ ist. Diese Behauptungen über Stalins terroristisches Regime, Putin und das heutige Russland sind so weit hergeholt und uninformiert, dass sie kaum noch einen Kommentar verdienen. Stalins Russland war das absolute Gegenteil zur Freiheit. So schlimm, dass man es sich kaum vorstellen kann.
Im heutigen Russland haben die meisten Bürger, abgesehen von den unterschiedlichen politischen Grundrechten, mehr Freiheiten als je zuvor, und diese erstrecken sich auf das Leben, Studieren, Arbeiten, Schreiben, Sprechen und Reisen.
(Wenn Berufs-Verleumder wie David Kramer [Jude] behaupten, dass in Putins Russland eine “schreckliche Menschenrechtssituation” herrsche, sollte man zurückfragen: “Schrecklich im Vergleich zu welcher Epoche der russischen Geschichte? und zu welchem anderen Staat der heutigen Welt?”
Putin versteht ganz klar, dass Millionen von Russen pro-Stalin-Gefühle haben [JdN: weil Russland damals unbestreitbar mächtig, eine Supermacht und im II. WK siegreich war] und diese Gefühle oft zum Ausdruck bringen.
Trotzdem war Putins Rolle in diesen immer noch andauernden Meinungsverschiedenheiten um ein gerechtes historisches Urteil zum Gewaltherrscher, auf eine noch nie da gewesene Weise diejenige eines resolut anti-stalinistischen Staatsführers.
Kurz veranschaulicht — wenn Putin das Gedenken an Stalin angeblich fördern würde, warum ermöglichte er dann mit seiner persönlichen Unterstützung die Errichtung von zwei Gedenkstätten (das ausgezeichnete Staatsmuseum für die Geschichte des Gulag und die höchst eindrucksvolle “Mauer der Trauer”) in der Stadtmitte von Moskau für die Millionen von Opfern des Tyrannen?
Das letztgenannte Denkmal wurde erstmals 1961 vom damaligen Kremlführer Nikita Chruschtschow vorgeschlagen. Es wurde aber weder unter ihm noch unter einem seiner Nachfolger gebaut – ja, erst unter Putin kam es zustande, und zwar im Jahre 2017.
30. Oktober 2017
§ Putin schuf auch nicht das post-sowjetische, russische “kleptokratische [räuberische] Wirtschaftssystem” mit seiner oligarchischen und sonstigen Korruption. Auch dies nahm bereits unter Jelzin während der “Privatisierungs”-Schocktherapie des Kremls in den 1990er Jahren massiv Gestalt an, als die von der heutigen Opposition noch immer dauernd angeprangerten “Schwindler und Diebe” ganz zum Vorschein kamen.
Putin hat eigentlich im Laufe der Jahre eine Reihe von “Anti-Korruptions”-Maßnahmen ergriffen. Wie erfolgreich sie waren, ist Gegenstand einer legitimen Debatte.
Ebenso wie die Frage, wie viel Macht er hatte, um sowohl Jelzins Oligarchen als auch seine eigenen Oligarchen vollständig zu kontrollieren, und wie aufrichtig er dabei war.
Aber Putin selbst als “Kleptokraten” zu brandmarken, zeugt von fehlendem Wissen des Gesamtzusammenhangs und ist nichts weiter als böswillige Verleumdung.
Ein kürzlich erschienenes Fachbuch behauptet hierzu mit Recht:
”Putin und das liberal-technokratische Wirtschaftsteam, auf das er sich verlässt, mag zwar “korrupt” sein, aber es hat das wirtschaftliche Vermögen Russlands auch geschickt verwaltet”.
Ein ehemaliger IWF-Direktor geht da noch weiter und kommt zu dem Schluss, dass Putins gegenwärtiges Wirtschaftsteam Korruption “nicht duldet” und dass “Russland in den “Doing Business Ratings’ [ = Zustände für Geschäftsleute] der Weltbank nun auf Platz 35 von 190 liegt. Es war im Jahre 2010 noch auf Platz 124.”
***
In menschlicher Hinsicht lebten bei der Machtübernahme Putins im Jahr 2000 noch rund 75 Prozent der Russen in Armut.
Die meisten hatten sogar ihre ganz bescheidenen Erbschaften aus der Sowjetzeit verloren – ihre Lebensersparnisse, medizinische und andere Sozialleistungen, Reallöhne, Renten, Berufe.. und bei Männern war die Lebenserwartung weit unter das 60. Lebensjahr gefallen.
In nur wenigen Jahren hatte der “Kleptokrat” Putin genug Wohlstand hebeigeführt, um diese menschlichen Leidenskatastrophen rückgängig zu machen und Milliarden von Dollar in Schlechtwetter-Fonds zu stecken, die die Nation in verschiedenen schwierigen Zeiten der Zukunft puffern können. Wir mögen diese historische Errungenschaft beurteilen wie wir wollen, aber deshalb heißt er im russischen Volksmund:
“Wladimir der Retter”
Nun zur unheilvollsten Anschuldigung gegen ihn: Putin sei ausgebildet als “KGB-Gangster” und befehle regelmäßig die Tötung von unbequemen Journalisten und persönlichen Feinden, so wie ein “Mafiaboss”.
Dieser verleumderische Begriff sollte von allen am einfachsten zu entkräften sein, denn es gibt keinerlei konkrete Beweise dafür oder kaum eine Logik dahinter. Und doch ist er allgegenwärtig.
In der Times nennen redaktionelle Autoren und Kolumnisten — und leider nicht nur sie — des öfteren Wladimir Putin “Gangster” und seine Politik als “Gangstertum” – manchmal mit der zusätzlichen Steigerung “autokratisches Gangstertum” – so dass man meinen könnte, der Gebrauch dieser spezifischen Verteufelung müsse in irgendeinem, uns unbekannten, internen Handbuch der Presse festgeschrieben sein.
Kein Wunder, dass so viele Politiker es routinemäßig verwenden, so wie kürzlich Senator Ben Sasse:
„Wir sollten das amerikanische Volk aufklären und der Welt sagen, dass wir wissen, dass Wladimir Putin ein Gangster ist. Er ist ehemaliger KGB-Agent und Mörder.”
Nur wenige, oder sagen wir mal, gar keine der sonstigen modernen Führungspersönlichkeiten auf der Welt sind so schlimm und so regelmäßig verunglimpft worden.
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JdN: Tja, diese Verteufelungs-Pressekampagnen kennen wir ja — seit 1933!
. https://johndenugent.com/images/Adolf-Hitler-Was-Right-Democracy-Plutocracy-the-Press.mp4
Deutsch und englisch — sehenswert!!!!
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Ebenso wenig “weiß” dieser Senator Sasse etwas von alledem.
Er und die anderen greifen auf eine Vielzahl von einflussreichen Medienberichten zurück, die Putin voll und ganz aller Untaten beschuldigen, während sie die tatsächlichen Beweise unter einem vernichtenden, vorausgehenden “Aber” begraben.
So schrieb ein anderer Kolumnist der Times: “Mir ist klar, dass dieses Indiz nur nebensächlich und nicht beweiskräftig ist. Aber es ist eines von vielen verdächtigen Mustern.”
Auch das ist ein journalistisches “Muster”, wenn es um Putin geht. Man entdeckt “Verdächtiges” ohne Beweise.
Abgesehen von anderen Weltführern mit kleiner oder großer Karriere im Geheimdienst waren Putins Jahre als KGB-Geheimdienstler im damaligen Ostdeutschland eindeutig prägende Erlebnisse.
Viele Jahre später, im Alter von 65 Jahren, spricht er immer noch mit Stolz darüber. Was auch immer diese Erfahrungen seinem Wesen beisteuerten, Putin wurde dadurch zu einem europäisierten Russen, zu einem fließenden Deutsch-Sprecher und zu einem politischen Führer mit einer bemerkenswerten, nachgewiesenen Fähigkeit, ein sehr breites Informationsspektrum aufzubewahren und zu analysieren.
***JdN
Da ich selbst im US Marine Corps ebenfalls im Geheimdienst tätig war, haben wir — Putin und ich — einen ähnlichen Hintergrund und vergleichbare Vorgehensweise – 1) sammle genaue Fakten, 2) deute sie richtig, 3) entscheide und 4) HANDLE.
***
(Lesen oder schauen Sie sich ein paar von Putins langen Interviews an.) Er ist keine schlechte Führungspersönlichkeit in diesen sehr schwierigen Zeiten.
Darüber hinaus dürfte kein seriöser Biograph NUR EINEN Zeitraum aus der langen öffentlichen Karriere eines Menschen herausklauben und als endgültig und alles bestimmend betrachten, wie es die Putin-Verleumder tun.
Warum nehmen sie die Phase nach seinem Austritt aus dem KGB im Jahr 1991, nicht genauso, oder gar noch mehr unter die Lupe als er als Stellvertreter des Bürgermeisters der Groβstadt Sankt Petersburg fungierte und dann als einer der zwei oder drei demokratischsten Führer in Russland galt?
Oder die Jahre unmittelbar danach in der Hauptstadt Moskau, wo er das ganze Ausmaß der Korruption aus der Jelzin-Ära aus erster Hand sah?
Oder seine folgenden, noch relativ jungen Jahre als Präsident?
Was den “Mörder” von Journalisten und anderen “Feinden” angeht, so ist die Liste zu einer Vielzahl von Russen herangewachsen, die im In- und Ausland durch üble oder natürliche Weise starben – allesamt werden sie [von der westlichen Presse] reflexartig Putin zugeschrieben.
Unsere geheiligte angelsächsische Tradition besagt, dass vor Gericht die Beweislast bei den Anklägern liegt.
Putins Ankläger haben aber keinerlei Beweise [für diese angebliche Putin’sche Mordreihe] vorgelegt, bloβ Annahmen und Anspielungen gemacht und falsch übersetzte Aussagen von Putin über das Schicksal von “Verrätern” verbreitet.
Die beiden Fälle, in denen sich diese diffamierende Praxis festsetzte, waren 1) der Tod der investigativen Journalistin Anna Politkowskaja, die 2006 in Moskau erschossen wurde,
und 2) Alexander Litwinenko [Foto], ein schattenhafter, einstiger KGB-Überläufer mit Verbindungen zu den Oligarchen der Jelzin-Ära, der 2006 in London an einer Strahlenvergiftung verschied.
In beiden Fällen gibt es keine Spur oder Beweise, die auf Putin hindeuten. Der Herausgeber der Nowaja Gaseta, die angeblich unabhängige Zeitung der Frau Politkowskaja, glaubt selbst immer noch, dass ihre Ermordung von tschetschenischen Beamten angeordnet wurde, deren Menschenrechtsverletzungen sie untersucht hatte.
Was Litwinenko betrifft, so gibt es trotz hektischer Medienberichte und einer schauprozessartigen “Anhörung”, die darauf hinausging, dass Putin “wahrscheinlich” verantwortlich dafür gewesen wäre, immer noch keinen schlüssigen Beweis dafür, ob die Vergiftung von Litwinenko vorsätzlich war. Der gleiche Mangel an Beweisen gilt für viele nachfolgende Fälle, insbesondere für die Erschießung des Oppositionspolitikers Boris Nemzow, “in [ferner] Sichtweite des Kremls”, im Jahr 2015.
Bezüglich russischer Journalisten gibt es jedoch eine wichtige, übersehene Statistik. Nach Angaben des Amerikanischen Komitees zum Schutz von Journalisten wurden [ab Ende der UdSSR] bis 2012 77 russische Reporter ermordet, davon 41 in den Jelzin-Jahren, 36 unter Putin. Bis 2018 waren es 82, 41 unter Jelzin, ebenso viele unter Putin.
Dies deutet nachdrücklich darauf hin, dass NICHT Jelzin oder Putin persönlich, sondern das immer noch teilweise korrupte, post-sowjetische Wirtschaftssystem, nach 1991 zur Ermordung so vieler Journalisten geführt hat, die meisten davon investigative Reporter.
So lautet das Fazit der ehemaligen Ehefrau eines Journalisten, der für vergiftet gehalten wurde: “Viele westliche Analysten schieben die Verantwortung für diese Verbrechen auf Putin. Aber die Ursache ist eher das System des gegenseitigen Verantwortlichmachens und die Unkultur der Straffreiheit, die sich vor Putin seit Ende der 1990er Jahre gebildet hat.”
§ In jüngerer Zeit gab es eine weitere Behauptung: Putin sei ein faschistischer, weißnationaler Rassist. Der Vorwurf wird vor allem von Leuten erhoben, die die Aufmerksamkeit von der Rolle der ukrainischen Neo-Nazis ablenken wollen, die von den USA unterstützt werden. Putin betrachtet es zweifellos als Taktik zur Verschleierung einer Blutspur, und selbst oberflächlich betrachtet, sind es völlig plumpe und haltlose Behauptungen. Wie sonst könnte man die ernst gemeinten Warnungen von Senator Ron Wyden bei einer Anhörung am 1. November 2017 über “die derzeitige faschistische Führung Russlands” erklären? Eine fast unerklärliche Darstellung dieser These eines älteren Yale-Professors wurde kürzlich von einem jungen Forscher demontiert. Mein eigener Ansatz ist vergleichbar, wenn auch anders.
Was auch immer Putins Verfehlungen sein mögen, die “faschistische” Behauptung ist absurd. Nichts in seinen Aussagen seit fast 20 Jahren an der Macht ähnelt dem Faschismus, dessen Kernüberzeugung ein Blutkult ist, der auf der behaupteten Überlegenheit der einen Ethnie gegenüber allen anderen basiert. Als Leiter eines riesigen multiethnischen Staates wären solche Äußerungen oder verwandte Handlungen Putins unvorstellbar, wenn nicht gar ein Akt politischen Selbstmordes. Deshalb ruft er immer wieder zur Harmonie in “unserer gesamten multiethnischen Nation” mit ihrer “multiethnischen Kultur” auf, wie er es auch in seiner Neujahrsrede 2018 wieder getan hat.
Natürlich hat Russland faschistisch-weiße rassistische Denker und Aktivisten, obwohl viele inhaftiert sind. Aber eine massenhafte faschistische Bewegung ist in einem Land, in dem im Krieg gegen Nazi-Deutschland so viele Millionen starben, kaum möglich, ein Krieg, der Putin direkt traf und ihn eindeutig geprägt hat. Obwohl er nach dem Krieg geboren wurde, haben seine Eltern nur sehr knapp die fast tödlichen Wunden und Krankheiten überlebt, die der Krieg brachte
[Obiges Bild] Putins Eltern, Wladimir Spiridonowitsch Putin und Maria Iwanowa Putina (geb. Shelomowa)
…aber sein älterer Bruder starb daran während der langen deutschen Belagerung von Leningrad,
..und einige seiner Onkel kamen ums Leben.
Nur Menschen, die ein solches Erlebnis noch nie erlebt haben oder sich dies nicht vorstellen können, können einen faschistischen Putin beschwören.
Es gibt eine andere, leicht verständliche, vielsagende Tatsache. In Putin ist keine Spur von Antisemitismus zu erkennen. Hier in den USA wird es wenig erwähnt, aber sowohl in Russland als auch in Israel ist es weit verbreitet, dass das Leben der russischen Juden unter Putin besser ist als in der ganzen, langen Geschichte dieses Landes.
§ Zum Schluss, zumindest vorläufig, gibt es die weit verbreiteten Dämonisierungsvorwürfe, Putin sei als außenpolitischer Führer im Ausland außerordentlich “aggressiv” gewesen. Bestenfalls kann es sich dabei um einen Betrachter handeln, der halb blind ist. Im schlimmsten Fall rechtfertigt diese Haltung aber die Deutung desselben durch einen deutschen Außenminister als “Kriegstreiberei” des Westens gegen Russland .
In den drei Fällen, die allgemein als Beispiele für Putins “Aggression” angeführt werden, deuten die Beweise, die ich und viele andere seit langem zitiert haben, auf US-geführte Initiativen hin, vor allem bei der Erweiterung des NATO-Militärbündnisses seit Ende der 90er Jahre von Deutschland bis an die heutigen Grenzen Russlands. Der Stellvertreter des US-Russland-Krieges in Georgien im Jahr 2008 wurde von dem (von den USA unterstützten) Präsidenten dieses Landes initiiert, der ermutigt worden war, eine NATO-Mitgliedschaft anzustreben. Die Krise von 2014 und der anschließende Stellvertreterkrieg in der Ukraine waren das Ergebnis der langjährigen Bemühungen, dieses Land trotz der gemeinsamen Zivilisation großer Regionen mit Russland in die NATO aufzunehmen. Und Putins militärische Intervention 2015 in Syrien erfolgte unter einer gültigen Prämisse: Entweder wäre es der syrische Präsident Assad in Damaskus oder der terroristische islamische Staat – und die Weigerung von Präsident Barack Obama, sich Russland in einem Anti-ISIS-Bündnis anzuschließen. Als Ergebnis dieser Geschichte wird Putin in Russland oft als ein verspätet reaktiver Führer im Ausland angesehen, nicht als ein ausreichend “aggressiver”.
Im Prinzip des “aggressiven Putin” sind noch zwei weitere enthalten. Eines davon ist, dass Putin ein neosowjetischer Führer ist, der versucht, die Sowjetunion auf Kosten der russischen Nachbarn wiederherzustellen. Wie besessen hat man ihn falsch zitiert, als er 2005 gesagt haben soll: “Der Zusammenbruch der Sowjetunion war die größte geopolitische Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts”, was er anscheinend als schlimmer einstuft als beide Weltkriege. Was er tatsächlich sagte, war “eine große geopolitische Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts”, wie sie für die meisten Russen auch tatsächlich war.
Obwohl Putin oft kritisch gegenüber dem Sowjetsystem und seinen beiden prägenden Führern Lenin und Stalin ist, bleibt Putin wie die meisten seiner Generation natürlich ein Teil der Sowjets. Was er im Jahr 2010 gesagt hat, spiegelt seine reale Perspektive und die vieler anderer Russen wider: „Wer den Zerfall der Sowjetunion nicht bereut, hat kein Herz. Wer seine Wiedergeburt in seiner bisherigen Form haben will, hat keinen Kopf. “
Das andere trügerische Unterprinzip ist, dass Putin immer “antiwestlich” war, insbesondere “anti-amerikanisch” und die Vereinigten Staaten immer mit “schwindendem Verdacht” betrachtet hat. Eine einfache Lektüre seiner Machtjahre sagt uns etwas anderes. Putin, ein europäisierter Russe, trat im Jahr 2000 in der noch immer vorherrschenden Tradition von Gorbatschow und Jelzin in die Präsidentschaft ein – in der Hoffnung auf eine “strategische Freundschaft und Partnerschaft” mit den Vereinigten Staaten. Daher war er nach dem 11. September reichlich beim amerikanischen Krieg in Afghanistan behilflich. Daher besaß er auch eine volle Partnerschaft in den US-europäischen Klubs der führenden Politiker, bis er jedoch der Ansicht war, dass Russland nicht als gleichwertig gelten würde und die NATO zu nahe eingedrungen wäre.
In Anbetracht dessen, was in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten geschehen ist – insbesondere was Putin und andere russische Staats- und Regierungschefs wahrgenommen haben – wäre es bemerkenswert, wenn sich seine Ansichten über den Westen, insbesondere Amerika, nicht geändert hätten. Wie er im Jahr 2018 bemerkte: „ Wir ändern uns alle.“ Vor einigen Jahren gab Putin bemerkenswert zu, dass er anfangs „Illusionen“ bezüglich der Außenpolitik hatte, ohne anzugeben, welche. Vielleicht meinte er dies als er Ende 2017 sagte:
„Unser schwerwiegender Fehler in den Beziehungen zu den westlichen Staaten besteht darin, dass wir Ihnen zu sehr vertraut haben. Und ihr Fehler ist, dass sie dieses Vertrauen als Schwäche genommen und missbraucht haben. “
Wenn meine Widerlegung der Putin-Dämonisierungs-Taktiken korrekt ist, wo stehen wir dann? Sicherlich nicht bei einer Entschuldigung für Putin, sondern bei der Frage: “Wer ist Putin?” Die Russen sagen gerne: “Lasst die Geschichte urteilen”, aber angesichts der Gefahren des neuen Kalten Krieges können wir nicht warten.
Wir können zumindest mit ein paar historischen Wahrheiten beginnen. Im Jahr 2000 wurde ein junger und unerfahrener Mann zum Anführer eines riesigen Staates, der im 20. Jahrhundert zweimal – 1917 und erneut 1991 – mit katastrophalen Folgen für sein Volk zerfallen oder “zusammengebrochen” war. Und in beiden Fällen hatte er seine “Souveränität” und damit seine Sicherheit grundlegend verloren.
Das waren immer wiederkehrende Themen in Putins Worten und Taten. Sie sind der Ausgangspunkt für ein Verständnis. Niemand kann bezweifeln, dass er bereits der konsequenteste “Staatsmann” des 21. Jahrhunderts ist, obwohl das Wort in den Vereinigten Staaten selten, wenn überhaupt, auf ihn angewendet wird. Und was bedeutet “folgerichtig”? Auch ohne die oben genannten Pseudo-Minuspunkte wird eine ausgewogene Bewertung auch gültige Minuspunkte beinhalten.
War es zum Beispiel zu Hause notwendig, die “Vertikale” des Kremls im ganzen Land zu stärken und zu erweitern, um Russland wieder zusammenzubringen? Hätte nicht dem historischen Experiment mit der Demokratie die gleiche Priorität eingeräumt werden sollen? Gab es im Ausland nicht Alternativen zur Annexion der Krim, auch angesichts der wahrgenommenen Bedrohungen? Und hat die Führung Putins wirklich nichts getan, um die Ängste in kleinen osteuropäischen Ländern, die jahrhundertelang von Russland heimgesucht wurden, wieder zu wecken? Das sind nur einige wenige Fragen, die neben Putins verdienten Pluspunkten auch Minuspunkte bringen könnten.
Wie auch immer der Ansatz aussieht, wer eine ausgewogene Bewertung vornimmt, sollte dies tun, um frei nach Spinoza zu reden, nicht um zu dämonisieren, nicht um zu spotten, nicht um zu hassen, sondern um zu verstehen.
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